Organspenden leicht gemacht

Haben Sie sich nicht auch schon mal gewünscht, sie könnten ihr Organ spenden? Zum Beispiel den Kopf abschrauben, bei Föhnlage und Migräne. Oder das Herz fremdplatzieren bei Liebeskummer? Wie schön, wenn das so einfach wäre. Und die Seele? Ist das überhaupt ein Organ oder nicht? Aufgepasst: Sie zu vergeben, davor wurde schon in mancher Legende gewarnt.

Stellen sie sich vor, wenn jemand einen Wunsch hätte, könnte er nur bei Zalando bestellen und flugs würde ihm das begehrte Stück zugestellt werden, passend nach Grösse, Gewicht und Blutgruppe. Doch so einfach geht das nicht und wird es hoffentlich auch nie sein.

Ich hatte mal einen Arbeitskollegen, dessen Lunge unheilbar krank war und sein Schicksal schien besiegelt. Seine einzige Alternative zum sicheren Tod bestand darin, sie durch eine gesunde Lunge zu ersetzen. Die Chancen damit weiterleben zu können standen Fifty-fifty. Nach monatelanger Vorbereitungsphase war es endlich soweit und er erhielt eine Spenderlunge. Anschliessend an die Operation konnte er sich nur kurz erholen. Denn sein Körper stiess das fremde Organ ab. Um diese Reaktion zu bekämpfen musste er eine hohe Dosis Antibiotika einnehmen, bis auf weiteres. Der Kampf in seinem Körper zehrte ihn aus, und er schien nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen. Als weitere Folge durfte er nie mehr in die Sonne, es drohte die Gefahr eines Sonnenbrandes, was für ihn nun lebensgefährlich war. Auch ein einfacher Schnupfen konnte für ihn tödlich enden. Damit nicht genug. Als dazu sein Augenlicht angegriffen wurde, durch die Nebenwirkungen der hochkonzentrierten Medikamente und drohte, ihn erblinden zu lassen, resignierte er und starb.

Sein Schicksal kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich an Organspenden denke. Ich habe mich oft gefragt: Was würde ich in so einer Situation tun? Würde ich mich von Anfang an, aufs Sterben vorbereiten? Oder würde ich mich an jeden Strohhalm der Hoffnung klammern und mein Leben mit einem Ersatzorgan verlängern wollen. Das, wie das Beispiel des Kollegen zeigt, keine Garantie zum Überleben bietet.

Eine nicht repräsentative Umfrage in meinem Bekanntenkreis hat ergeben, dass vier von fünf Befragten für eine Organspende votieren. Somit dürften sich die Ärzte, nachdem sie für Hirntod erklärt worden wären, die notwendigen Organe entfernen. Spontan meine ich, selbstverständlich kann man sich bei mir bedienen, wenn denn Teile von mir genug funktionstüchtig sind, um anderen zu helfen. Es wurde recht viel Erstaunliches erforscht zu den Organspenden und die Wissenschaft hat phänomenale Fortschritte gemacht. Eine Freundin erzählte mir einem jungen Mann, der ein Stück seiner Leber seinem Cousin gespendet hat, und nun würde ihm seine Leber wieder nachwachsen.

Trotzdem sollten wir nicht leichtfertig damit umgehen, und die Vorstellung, dass man sich in Zukunft einfach wie in einem Ersatzteillager bedienen und sich die maroden Organe ersetzen lassen könnte, wird hoffentlich nie Realität. Ich verstehe die Beweggründe des Initiativkomitees, das sich für mehr Spenden einsetzt. Bisher bestand das System auf Freiwilligkeit, mit dem Ergebnis, dass viele sich entweder aus Unsicherheit oder aus Unwissenheit nicht erfassen liessen. Oder weil sie im Innersten doch nicht dazu bereit wären. Sich einen Spendenausweise machen lassen und sich registrieren lassen, da ist man gleich um die Datensicherheit besorgt. Auch das hat viele abgeschreckt.

Um dem entgegen zu wirken, spricht es dafür, dass, ginge es nach den Initianten, der Spiess umgedreht würde und jeder zu einem potenziellen Organspender erklärt werden würde. Nur jene, die ihre Organe nicht spenden wollen, wären verpflichtet sich registrieren zu lassen. Das macht daher Sinn, dass es sich dabei um einen viel kleineren Kreis von Menschen handeln dürfte, als wenn die Sachlage umgekehrt wäre. Es ist jedoch unwahrscheinlich und rechtlich unhaltbar, dass jemand stillschweigend zu einer Spende verpflichtet werden kann. Bleibt die Hoffnung, dass durch die Initiative, alle aufgerüttelt werden, sich mit der Thematik aktiv auseinanderzusetzen.

Denn wenn wir keinen Notstand von zur Verfügung gestellten Organen hätten, wäre diese Initiative nicht nötig. Jährlich sterben zirka 100 Personen in der Schweiz, weil sie vergebens auf eine Organspende gewartet haben. Jahrelang bewegten sich die Ärzte in einem Graubereich. Als gutgläubiger Bürger nahm ich an, die schauen schon, dass sie zur rechten Zeit an die benötigten Organe kommen. Es gab Gerüchte, dass sich Chirurgen bei potentiellen Spendern einfach bedienten. Oder dass die Organe gehandelt werden und sich gerade in Kriegsgebieten damit viel Geld verdienen liesse.

Fakt ist, dass die gespendeten Organe kostenlos sind. Das finde ich sehr beruhigend. Dass jedoch 577 Patienten letztes Jahr transplantiert wurden und knapp dreimal so viele, noch weiter auf eine Organspende warten müssen, zeigt die Not etwas zu tun. Auch im Nachbarsland Deutschland ist eine Diskussion darüber entbrannt, allerdings ist dort das Verhältnis von gespendeten zu transplantieren Organen siebenmal grösser.

Stellen Sie sich vor, sie sind ein potentieller Spender und als solcher in ein Register eingetragen. Würden sie in Zukunft bei jedem grösseren Fest, bei dem sie bisher ungehemmt Alkohol konsumiert haben, daran denken, dass das ihrer Niere schaden könnte, und dass sie, würden sie sie eines Tages spenden wollen, kaum noch zu was taugen würde? Ist diese Frage überhaupt zielführend? Oder verleitet es erst recht dazu, sich zu betrinken, nach dem Motto: Mein Organ gehört mir! Oder erhält man in Zukunft bei der Krankenkasse Bonus-Punkte, wenn man sich als Organspender erfassen lässt? Ich meine, irgendwas könnten die Kassen doch springen lassen, wenn sich die einen für die Erhaltung ihrer Kunden verdient machen würden. Nur, tatsächlich sieht es aus Kostensicht gar nicht günstig aus. Die teure Vorbereitung, die Operation und schliesslich die lebenslange Einnahme von Medikamenten, das kostet ein ganz schönes Sümmchen. Zudem haben die Arzneien oft starke Nebenwirkungen, die wiederum andere Organe angreifen und krank machen.

Eine Organspende kann jemandem eine grosse Erleichterung im Leben bringen oder ihn in einen Teufelskreis schicken. Die Risiken und Nebenwirkungen sind zwar bekannt, aber es werden keine Garantien abgegeben. Es werden nur Wahrscheinlichkeiten herumgereicht.

Nur eines ist gewiss: Sterben tun wir alle.