DIE ZÜRCHER ACHSE

Ein Fall für Kommissarin Amber Glättli

Er war es, der das Kreuzfahrtschiff gekidnappt hatte, auf dem sie Urlaub machte. Ausser dem erpressten Lösegeld, stahl er auch das Kollier mit dem weltberühmten Rubin 'Rose of India'.

Kidnapping, Waffenhandel und Drogen, all das deutet auf das organisierte Verbrechen hin. Bei ihren Ermittlung trifft sie auf David Maler, er ist der Bauführer der Baustelle und ihr Hauptverdächtiger. Ausgerechnet ihm räumte sie, der alten Zeiten Willen, eine weitere Chance ein. Und bringt damit auch ihre Tochter in Gefahr. Amber kämpft um ihr Leben.

1. Kapitel
Achmet musste in der Hölle gelandet sein. Um ihn herum dröhnte und heulte es. Das Böse, es war überall auf der Welt anzutreffen. Er wusste das. Er war in Mogadishu aufgewachsen, einer Stadt, durch die seit Jahren die Fronten der Bürgerkriegsparteien verliefen, die sich einmal vor- und einmal zurück verschoben. Dabei starben täglich Dutzende Menschen im Kugelhagel. Er hatte Glück und hatte überlebt. Er kam mit Joe nach Europa, ins reiche Zürich. Und landete hier in der Hölle.
Eine Stiefelspitze trat ihn wuchtig in den Bauch, dass er aufschrie. Er wusste nicht, wohin man ihn verschleppt hatte. Achmet schluckte und schmeckte Blut, sein Blut. Alles drehte sich im Kreis. Aus seinen verquollenen Augen konnte er nichts sehen. Riechen? Da wo seine Nase war, war ein blutiger Brei, aus dem der Rotz tropfte.
Er hätte auf seine Großmutter hören sollen. Sie hatte ihn schon als Kind gewarnt, dass es eines Tages schlimm mit ihm enden werde. Er hätte Fischer werden sollen, wie seine Väter. Aber er hatte die Schiffe gesehen, die von überallher kamen und Giftfässer vor der Küste Somalias versenkten. Sie verseuchten alle Lebewesen im Meer, und mit ihnen, die Menschen, die sich von ihnen ernährten. Sie bekamen Krankheiten, für die es keine Namen gab.
Ohne ihn. Er hatte beschlossen, sich ein Stück von dem unermesslichen Reichtum der Industriestaaten zurückzuholen. Das war ihm auch gelungen. Er verfügte über Geld und ein Bankkonto. Er war im Besitz der ‚Rose of India‘, einem Rubin, dem magische Kräfte nachgesagt wurden und er trug einen piekfeinen Anzug, geschneidert vom berühmten Armani.
Er durfte sich nur nicht erwischen lassen. Genau! Und Schuld daran war die ‚Rose of India‘. Sie musste verhext sein. Es klebte Blut an ihr, und er hatte sie geklaut. Ihr böser Geist saß ihm im Nacken, er hörte ihr gequältes Geheul, das einem durch die Knochen fuhr. Kalter Schweiß brach ihm aus. Seine Lippen waren zerschlagen und seine Kehle brannte. In seinem Bauch loderte ein Schnaps-Feuer. Er war so durstig. Ein - zwei Tritte trafen ihn diesmal in die Rippen. Er krümmte sich vor Schmerz. Vor ihm verschwamm alles, und er drohte das Bewusstsein zu verlieren.
Joe, wo war er? Sie hatten in der Bar mit den hübschen Mädchen getanzt und gefeiert. Er hatte ihnen ein paar Drinks spendiert. Angeheitert war er einer Blondine mit schwingendem Po aufs Zimmer gefolgt. Da tauchten vor ihm plötzlich diese beiden Teufel auf. Sie stießen ihn die Treppe hinab und verprügelten ihn draußen im Hinterhof. Sie stopften ihm eine Flasche mit hochprozentigem Fusel zwischen die Zähne und hielten ihm die Nase zu, so dass er schlucken musste. Auf seine Fragen antworteten sie mit Schlägen, bis er davon, oder vom Alkohol die Besinnung verlor.
Als er wieder zu sich kam, befanden sie sich nicht mehr im Hof. Wo wusste er nicht. Verzweifelt versuchte er, auf allen vieren weiteren Prügeln zu entkommen. Da spürte er Sand unter sich. Waren sie in der Wüste? Träumte er das alles? War er gar nicht in Zürich, sondern in Puntland? Er probierte, einen Gedanken zu fassen, doch alles surrte um ihn herum wie ein Mückenschwarm. Weg hier. Er bemühte sich, doch nach einem halben Meter war Schluss, ein Baseball-Schläger mähte ihn nieder. Er wand sich und schrie. Dafür bohrte sich der Stiefel einmal mehr in seinen Magen. Er schmeckte Galle. Gejohle folgte. Die Teufel waren mitleidlos. Wenn wenigstens dieses jämmerliche Klagen aufhören würde. Dieser Ton brachte ihn noch um den Verstand. Es war immer da, wohin er auch kroch, als würde es aus seiner Brust kommen.
Er konnte nicht mehr. Die Arme brachen kraftlos unter ihm ein. Ein Absatz schlug an seine Stirn. Blutiger Nebel senkte sich über ihn. Verbissen robbte er vorwärts. Da spürte er Wasser an den Händen. Mit letzter Kraft zog er sich heran, beugte sich vor und bettete seufzend den Kopf ins kühle Nass. Besser. Das Grölen der Peiniger drang nur noch gedämpft an seine Ohren. Bevor er eintauchte, glaubte er, das Knattern eines Außenbordmotors zu hören. Endlich! Seine Freunde kamen, um ihn zu holen. Alles wurde gut. Er kehrte nach Hause zurück, ans Horn von Afrika.
Achmet entspannte sich, und spürte nicht mehr, wie der Stiefel ihn unter Wasser drückte.